An(ge)dacht: Gedanken zum Advent
von Gero Waßweiler
Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht!
Denn siehe, ich verkündige euch gute Botschaft
von einer großen Freude, die allem Volk widerfahren wird;
denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus.
(Lk 2, 10)
Ein ereignisreiches Jahr neigt sich dem Ende zu. Wie schön wäre es gewesen, wenn nach über zwei Jahren Pandemie etwas Ruhe und Planbarkeit eingekehrt wäre. Stattdessen beunruhigt die Weltlage, der Krieg in der Ukraine mit all den Auswirkungen mit der Sorge um bezahlbares Essen und die Sehnsucht nach innerer Ruhe.
Jedes Jahr aufs Neue begegnen mir in der Adventszeit romantisch-kitschige Engelfiguren. Zu süß, um diese mit machtvollen Gotteswesen zu identifizieren. So kitschig süß, wie diese scheinen, so romantisch verklärt wirkt die Weihnachtsbotschaft vom Frieden Gottes: aus der Zeit gefallen und zu schön, um wahr zu sein.
Und doch sind es die vielen Erzählungen von Engeln, die in der Bibel uns Menschen durch die Zeiten hindurch beistehen und Gottes Botschaft erneuern und zusprechen. Sie begegnen in den biblischen Erzählungen. Sie erscheinen vielfach zum Dienst und Schutz. Als Elia völlig niedergeschlagen und des Lebens müde ist, rührte ihn ein Engel Gottes an und sprach: „Steh auf und iss!“ (1.Kö 19,7). Er ruft Elia dazu auf, sich aus seiner Verzweiflung auferwecken zu lassen, um zu essen und zu trinken. Als Jesus im Garten Gethsemane betet und den Weg ans Kreuz vor Augen hat, erschien ihm ein Engel vom Himmel, der ihn stärkte (Lk 22,43).
Die Bibel spricht von den Engeln als die Gesandten Gottes. Sie verkünden als Teil des himmlischen Hofstaates in ganz konkreten Situationen den Willen Gottes. Vielleicht ist es menschlich arrogant, wenn wir uns als einzige Schöpfung Gottes wahrnehmen. Die Engel der Bibel sind Gott viel näher und kommen uns aus einer Welt entgegen, die ich mit meinen Mitteln nicht erreichen kann. Sie überwinden die Kluft zwischen der göttlichen Heiligkeit und unserer menschlichen Profanität.
Wenn ich in der Bibel von den Engeln, ihren Taten und ihren Worten lese, verweisen diese immer auf den Auftrag Gottes und seiner Zugewandtheit zu seiner ganzen Schöpfung. Sie sind weder kitschig noch harmlos. Die Botschaft, die sie verkünden, stellt unsere menschliche Herrschaft infrage und fordert uns heraus, uns Gott zuzuwenden. Seine Engel behüten, bewahren und sie richten (Gen 19).
In all dem Trubel des Jahres habe ich Sehnsucht nach einer heilen Zeit, einer Zeit des Heils. Jedes Jahr im Advent laden wir romantisch verschnörkelt in Liedern, Dekoration, mit Kerzenschein und Keksen eine kleine Zeit des Jahres auf, um ein wenig heile Welt zu haben. Und die romantisch-kitschigen Engel gehören dazu. All das verändert die Weltlage jedoch nicht!
Letzten Endes ist es das Geschehen mit dem in der Krippe geborenen Menschen Jesus, der am Kreuz und durch seine Auferstehung zum Christus und Herrscher der Welt ausgerufen wird.
Der Engel des Herrn, der den Hirten in der tiefen Nacht in aller Klarheit und Vollmacht erscheint, erinnert uns an das weltbewegende Ereignis der Geburt Jesu: „Fürchtet euch nicht! Denn siehe, ich verkündige euch gute Botschaft von einer großen Freude“!
Wenn wir Menschen müde werden, die Frohe Botschaft von Gottes Zuwendung zu seiner Schöpfung zu erzählen und zu leben, schickt er seine Engel, um uns daran zu erinnern. Wenn wir Gott nicht mehr zutrauen zu handeln, schickt er seine Boten, die uns daran erinnern, dass wir weder allein, noch dem Schicksal ausgeliefert sind. Die christliche Botschaft mag uns zuweilen selbst zu verklärt vorkommen, sodass unser Glaube eine Art romantische Utopie ist. Hier spricht uns der Engel durch die Zeit hindurch an und fordert uns auf, dass wir uns erneut wieder auf den Weg machen, Christus in der Krippe zu begegnen. So lange wie wir an Weihnachten und Ostern dem Mensch gewordenen und dem Auferstandenen begegnen, ist Gott nicht eine historische Sagengestalt, sondern ein lebendiger Weltherrscher.
Und so verweisen mich die Engel wieder auf den heiligen Gott, der durch die Zeiten hindurch immer wieder neu seine Botschaft in die Unruhe der Welt hineinspricht. Eine Botschaft, die nicht so süß ist, wie die Engelfiguren, sondern eine machtvolle Ansage Gottes, der Herr der Welt zu sein.